Neu-Ulmer Zeitung 5. November 2013
Südwestpresse 4. November 2013
Illertisser Zeitung: 04.10.2013
Tierisch harmonisch: Wildschwein Susi und Jagdhund Lenz
Das kleine Wildschwein Susi und der Jagdhund Lenz haben sich in Vöhringen angefreundet. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Tierfreundschaft. Von Ursula Katharina Balken
Ein Scheibchen Banane ist eine willkommene Leckerei für Frischling Susi. Und Jagdhund Lenz will davon auch etwas haben, wenngleich er eigentlich auch ganz andere Kost gewöhnt ist. Georg Nüßlein hat den Fischling in seinem Revier von der Straße aufgelesen, da wog er gerade mal ein Kilo. Foto: Ursula Katharina Balken
Es ist eine Idylle wie aus einem Märchenbuch.
Eine weiße Taube sitzt auf dem Ast eines Baumes, darunter das kleine Wildschwein Susi, daneben der große Jagdhund Lenz. Das ungleiche Duo wird zum Trio, als sich der Jack Russel-Terrier Jackie dazu gesellt. Zwei Hunde und ein Frischling von gerade mal acht Kilogramm Gewicht – ein Bild der Eintracht und des Friedens. Man könnte darüber trefflich philosophieren. Das findet auch Lydia Nüßlein. In ihrem Garten hat der Frischling ein vorübergehendes Zuhause gefunden, seit ihr Sohn Georg Nüßlein, Abgeordneter im Deutschen Bundestag, mit einem Winzling von Wildschein, bei ihr eines Nachts im Türrahmen stand.
Keine Zeit, lange zu überlegen
Georg Nüßlein ist passionierter Waidmann. Ist er zu nächtlicher Stunde im Auto in seinem Revier unterwegs, entgeht seinem Auge nichts. „Ich sah plötzlich mitten auf der Teerstraße ein kleines Etwas, hielt an und stellte fest, das war ein Frischling, allenfalls vier Wochen alt“, sagt er. Zum Überlegen, was zu tun sei, blieb ihm keine Zeit. Denn das Wildschweinbaby ergriff die Flucht und lief so schnell seine kleinen Beine es tragen konnten eine Böschung hinauf. „Ich bin hinterher und konnte es einfangen.“ Für den erfahrenen Jäger war klar, dass es sich um ein ganz junges und zugleich auch schwaches Tier handeln musste, „denn sonst hätte ich den Frischling nie bekommen“. Und dann wäre das Tier vermutlich verhungert.
Wildscheine sind Tiere, die in Gruppen leben. So also war es mehr als ungewöhnlich, dass der Frischling allein auf weiter Flur unterwegs war. „Es muss das schwächste Tier seiner Rotte gewesen sein und könnte möglicherweise mit dem Tempo der anderen nicht mithalten“, mutmaßt Nüßlein.
Erstes Zuhause war eine Schachtel
Zurück am Auto packte er den Winzling in eine Schachtel. Seine Mutter staunte nicht schlecht als sie ihren Sohn mit dem Frischling vor sich sah. Was also tun? „Ich rief einen Tierarzt an. Der sagte mir, ein kleines Wildschein wird freiwillig nicht fressen.“
Ein Babyfläschen war am nächsten Morgen schnell besorgt, ebenfalls Babymilch aus der Apotheke. Und dann begann die Prozedur des Fütterns. Geduld war angesagt. „Nach einer Woche versuchten meine Mutter und ich es mit fester Nahrung.“ Und zum Erstaunen aller fraß Susi, so hatte man den vierbeinigen Familienzuwachs genannt, scheibchenweise Bananen. Auch machte sie sich schon auf, ihr neues Terrain im Garten zu erkunden. Der Jack Russel Jackie, ein quirliger Hausgenosse bei Lydia und Josef Nüßlein, zeigte erst Neugier und freundete sich schnell mit dem Frischling an. Jetzt blieb abzuwarten, wie sich Lenz – ein Deutscher Wachtelhund und beim Jagen stets an der Seite von Georg Nüßlein – Susi gegenüber verhalten würde.
Zuerst war Lenz eifersüchtig
„Zunächst war Lenz irritiert. Gab ich Susi ein Bananenstückchen, gab Lenz mir klar zu verstehen, dass er da nicht zurückstehen wollte.“ Georg Nüßlein lacht, „ein Jagdhund frisst eigentlich keine Bananen, aber ich spürte so etwas wie Eifersucht bei Lenz. Also bekam er auch ein Scheibchen“.
Füttert er Susi, verfolgen die Augen des Hundes geradezu sehnsuchtsvoll die Banane. Diesem Blick kann Nüßlein nicht widerstehen. Also auch ein Stück Banane für den Hund. Heute ist es soweit, dass Hund und Frischling aus einem Napf fressen, also Hundefutter, Mais und Fleisch.
Dass diese Idylle nicht immer so bleiben wird, weiß Georg Nüßlein. Deshalb ist er dabei, ein Gehege auf seinem Grundstück zu bauen, wo Susi eines Tages, wenn sie kein Frischling mehr ist, ihr Zuhause finden wird. „An Auswildern ist nicht zu denken. Sie ist an Menschen gewöhnt und würde den ersten Tag in Freiheit nicht überleben.“
Wildschweine bei Landwirten unbeliebt
Nüßlein ist sich durchaus bewusst, das Wildschweine zum Leidwesen der Landwirte großen Schaden anrichten. „Aber ich konnte den Frischling auf der Straße nicht sich selbst überlassen. Und wenn er groß ist, auch nicht.“
Ein Problem hat Georg Nüßlein allerdings, Susi will nicht allein sein. „Jetzt muss ich einen Freund für sie finden, dass dies kein Wildschwein sein wird, versteht sich.“
Und wenn man ihm jetzt vorwirft, das Tier nicht artgerecht zu halten, weiß er damit umzugehen. Schließlich sind Wildschweine auch in eingezäunten Gehegen im Zoo zu sehen.
Die Bild am Sonntag vom 15.09.2013: Katharina von der Leyen über die Jagd. Frau von der Leyen ist Autorin und schreibt speziell über Hunde in diversen Zeitschriften. Zusätzlich hat sie bereits viele Bücher zum Thema veröffentlicht.
Jägerlatein
Wie Sie wissen, kann ich Pauschalverurteilungen nicht leiden. Neulich saß ich in einer Gruppe Hundefreunde, als das Gespräch auf Jäger kam. Ein dankbares Thema, das sich für Vorurteile aller Art eignet: Alles Schießwütige! Mörder, die unschuldige Rehe und Hunde abknallen! Tierfeinde mit Großmannsucht!
Ich mache mich sicherlich sehr unbeliebt, wenn ich darauf bestehe, dass man sich „die Jäger“ auch mal von der anderen Seite betrachtet – aber damit kann ich leben, das Leben ist ja nun mal kein Popularitätswettbewerb. Tatsache ist: Wir leben seit Jahrtausenden in Kulturwäldern. Das Land ist zersiedelt, der Lebensraum für alle Tiere schrumpft, das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Wir haben in den meisten Gegenden kaum noch Platz für die natürliche Feinde von Wild wie Wolf oder Braunbär. Darum müssen Jäger dafür sorgen, dass das Rehwild in einem Revier nicht überhand nimmt, weil dadurch viele Baumarten stark verbissen werden und das fragile Ökosystem Wald gefährdet wird. Oder Rehe oder Hirsche im verzweifelten Versuch, in neue Reviere zu gelangen, weil es im alten zu voll wird, über Straßen und Autobahnen auszuweichen versuchen. Es sind die Jäger, die den unzähligen Rehen und Wildschweinen, die jährlich angefahren werden, entsetzliche Qualen ersparen. Es sind die Jäger, die darauf aufmerksam machen, dass sich in Brandenburg und Niedersachsen die Fuchsstaupe ausbreitet, ein Virus, der für unsere Hunde tödliche Folgen hat. Es sind die Jäger, die gerade eben bei Wildschweinen in Brandenburg das Aujezky-Virus entdeckt haben, das auch für unsere Hunde tödlich ist (weshalb sie um Himmels Willen keinen Schweinekot fressen sollten). Kaninchen erkranken in vielen Gegenden an Myxomatose, einem hoch ansteckenden Virus, an dem Kaninchen elend verrecken. Es kann nur der Jäger kranke Kaninchen erlösen und außerdem dafür sorgen, dass diese Krankheit sich nicht unaufhaltsam ausbreitet –was nicht unter Mordlust zu verbuchen ist, sondern unter Tierschutz. Jäger sind keine Hundefeinde – die meisten von ihnen haben selber welche -, aber sie hassen Hundebesitzer, die zulassen, dass ihre Hunde Wild hetzen, stören und Kitze umbringen. Natürlich gibt es Vollidioten unter Jägern, Großkotze und Angeber. Die gibt es überall. Auch unter Hundebesitzern, Journalisten, Apothekern, Nachbarn, Gartenbesitzern.
Es hilft nichts: So lange wir nicht mehr Platz für Wildtiere machen, brauchen wir Jäger. Und mehr Platz wird es nicht mehr geben; auch Sie wollen mehrspurige Autobahnen, Schnellstraßen, ein Haus mit Garten auf dem Land und erschwingliche Mieten (was nur geht, wenn genügend Wohnraum vorhanden ist). Es wäre schön, wenn es anders wäre.
Bildzeitung 14. September 2013