Die Bild am Sonntag vom 15.09.2013: Katharina von der Leyen über die Jagd. Frau von der Leyen ist Autorin und schreibt speziell über Hunde in diversen Zeitschriften. Zusätzlich hat sie bereits viele Bücher zum Thema veröffentlicht.

Jägerlatein

Wie Sie wissen, kann ich Pauschalverurteilungen nicht leiden. Neulich saß ich in einer Gruppe Hundefreunde, als das Gespräch auf Jäger kam. Ein dankbares Thema, das sich für Vorurteile aller Art eignet: Alles Schießwütige! Mörder, die unschuldige Rehe und Hunde abknallen! Tierfeinde mit Großmannsucht!
Ich mache mich sicherlich sehr unbeliebt, wenn ich darauf bestehe, dass man sich „die Jäger“ auch mal von der anderen Seite betrachtet – aber damit kann ich leben, das Leben ist ja nun mal kein Popularitätswettbewerb. Tatsache ist: Wir leben seit Jahrtausenden in Kulturwäldern. Das Land ist zersiedelt, der Lebensraum für alle Tiere schrumpft, das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Wir haben in den meisten Gegenden kaum noch Platz für die natürliche Feinde von Wild wie Wolf oder Braunbär. Darum müssen Jäger dafür sorgen, dass das Rehwild in einem Revier nicht überhand nimmt, weil dadurch viele Baumarten stark verbissen werden und das fragile Ökosystem Wald gefährdet wird. Oder Rehe oder Hirsche im verzweifelten Versuch, in neue Reviere zu gelangen, weil es im alten zu voll wird, über Straßen und Autobahnen auszuweichen versuchen. Es sind die Jäger, die den unzähligen Rehen und Wildschweinen, die jährlich angefahren werden, entsetzliche Qualen ersparen. Es sind die Jäger, die darauf aufmerksam machen, dass sich in Brandenburg und Niedersachsen die Fuchsstaupe ausbreitet, ein Virus, der für unsere Hunde tödliche Folgen hat. Es sind die Jäger, die gerade eben bei Wildschweinen in Brandenburg das Aujezky-Virus entdeckt haben, das auch für unsere Hunde tödlich ist (weshalb sie um Himmels Willen keinen Schweinekot fressen sollten). Kaninchen erkranken in vielen Gegenden an Myxomatose, einem hoch ansteckenden Virus, an dem Kaninchen elend verrecken. Es kann nur der Jäger kranke Kaninchen erlösen und außerdem dafür sorgen, dass diese Krankheit sich nicht unaufhaltsam ausbreitet –was nicht unter Mordlust zu verbuchen ist, sondern unter Tierschutz. Jäger sind keine Hundefeinde – die meisten von ihnen haben selber welche -, aber sie hassen Hundebesitzer, die zulassen, dass ihre Hunde Wild hetzen, stören und Kitze umbringen. Natürlich gibt es Vollidioten unter Jägern, Großkotze und Angeber. Die gibt es überall. Auch unter Hundebesitzern, Journalisten, Apothekern, Nachbarn, Gartenbesitzern.
Es hilft nichts: So lange wir nicht mehr Platz für Wildtiere machen, brauchen wir Jäger. Und mehr Platz wird es nicht mehr geben; auch Sie wollen mehrspurige Autobahnen, Schnellstraßen, ein Haus mit Garten auf dem Land und erschwingliche Mieten (was nur geht, wenn genügend Wohnraum vorhanden ist). Es wäre schön, wenn es anders wäre.