Illertisser Zeitung 07. November 2016
Waidmänner im Landkreis blicken auf den Ursprung der Jagd und das Jahr zurück, in dem über 500 Wildschweine erlegt wurden
Als Abschluss ihrer zum zwölften Mal gehaltenen herbstlichen „Wildwochen“ haben die Jäger der Kreisgruppe Neu-Ulm im Bayerischen Jagdverband am Wochenende in der Reuttier Gemeinschaftshalle ihre Hubertusfeier gehalten. Vorausgegangen war dem Fest eine vom Jagdhornbläserkorps mitgestaltete Hubertusmesse in der Pfarrkirche Johannes Baptist in Neu-Ulm. Die Hubertuslegende und die auf ihr fußenden Hubertusfeiern mahnten zum Respekt des Jägers vor Natur und Wild, sagte Christian Liebsch als Vorsitzender der Kreisgruppe, als er die rund 140 versammelten Jäger in Reutti begrüßte. „Wir schießen nicht ohne Maß und Ziel, übertragen vielmehr die Aussage der Legende auf uns und unser Handeln.“
Der Jäger wisse auch genau um seine Verantwortung für die Jagdwaffe. Allerdings fordere die Schwarzwildjagd schon eine ungeheure Passion. Zwar seien im abgelaufenen Jagdjahr im Landkreis 532 Stück Schwarzwild erlegt worden. Die Zahl bedeute aber keineswegs, „dass wir zügellos werden“. Es gehe immer auch darum, Schweinepest und Wildschäden so weit als möglich einzudämmen. Der Grat, auf dem der Jäger sich bewege, sei ohne Frage schmal. „Aber wir wahren unsere Grundwerte und handeln weidgerecht, wenn wir nicht auf die erste und größte Sau feuern sondern auf die richtige.“
Die übliche Hubertusrede hielt diesmal der Jagdfreund und Professor Klaus Stüwe, der an der Katholischen Universität Eichstätt vergleichende Politikwissenschaften lehrt. Einen Rundgang durch Jagd und Politik, die beiden ältesten Tätigkeiten des Menschen, kündigte der Redner an. Tatsächlich setzte er in der Steinzeit an, als Jäger und Sammler sich schon in Gruppen organisieren mussten, um gemeinsam die großen Wildtiere zu erlegen und so die Versorgung der Gruppe mit Nahrung zu gewährleisten. Über den Vorderen Orient, die jagdbegeisterten Pharaonen Ägyptens, die antiken Griechen, die ihrer Jagdgöttin Artemis den größten aller Tempel errichteten, bis hin zu den Römern, bei denen die Jagd schließlich mit dem Abschlachten Tausender Tiere in den Zirkusarenen zum billigen Volksvergnügen verkam. Der Unterschied von Nieder- und Hochwild entwickelte sich im späten Mittelalter, als das Rittertum der Jagd frönte. Rücksichtslose Jagdausübung des Adels provozierte auch die Bauernaufstände im 16. Jahrhundert. Die höfische Parforcejagd war wichtiger Bestandteil politischer Repräsentation der Herrschenden. Die Revolution von 1848 beendete das Jagdprivileg des Adels. Seither sei das Jagdrecht an Grund- und Bodenbesitz gebunden, so stark, dass Eigentümer die Jagd auf ihrem Grundstück untersagen könnten. „Heute“, trug Professor Stüwe vor, „ist die Jagd nicht mehr das Vorrecht der Mächtigen, heute gehen freie Bürger zur Jagd“. Allerdings müssten die Jäger dennoch den Kontakt zur Politik suchen, um nicht in der Flut der Vorschriften und Verbote zu versinken. „Die 60000 Jagdscheininhaber stellen eine Minderheit dar, so dass wir Verbündete unter anderen Naturnutzern brauchen wie Fischer, Landwirte, auch örtliche Politiker.“ Hubertusfeiern wie die in Reutti seien da genau der richtige Weg.
Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg, der zwischen zwei weiteren abendlichen Terminen gerade eben noch für ein Grußwort an die Jäger Zeit fand, betonte den Wert von Hubertusfeiern. Sie gälten als bayerische Traditionen, an denen festgehalten werden müsse. „Eine intakte Jägerschaft ist wichtig, die Hobby mit Verantwortung paart.“ Eine jagdbare Fläche von 880 Hektar in Neu-Ulm führe allerdings auch zu Nutzungskonflikten. Hunde in der freien Natur stellten da schon besondere Probleme dar, meinte Noerenberg. Spontanen Applaus erntete der Oberbürgermeister, als er „mehr Gelassenheit im Waffenrecht“ anmahnte.
Da müsse nicht nach jedem Vorfall immer gleich mit neuen Vorschriften oder Verboten reagiert werden. (grr)