Südwest Presse, 18. April 2016 Autor: Claudia Schäfer
Mit seinem charakteristischen Gesicht und buchstäblich putzigen Verhalten ist der Waschbär ein Sympathieträger. Naturschützer und Jäger macht seine Ausbreitung im Landkreis Neu-Ulm aber nicht glücklich.
Dass der aus Nordamerika stammende Waschbär inzwischen in der Region angekommen ist, wurde vor wenigen Jahren in Senden deutlich: Ein Waschbär, der in einem Baum in der Fuggerstraße hockte, löste damals einen Feuerwehreinsatz aus. Auch der zuständige Jagdpächter war vor Ort. Unternommen wurde schließlich nichts, der Kleinbär blieb unbehelligt.
Inzwischen, sagt Wolfgang Höppler vom Landratsamt Neu-Ulm, wohnt das Tier auf dem Gelände der früheren Weberei und fühlt sich dort offensichtlich wohl. Inmitten von Sträuchern, Bäumen und Wiesen und nahe am Mühlbach hat sich der Kleinbär - möglicherweise inzwischen mit Artgenossen - gut eingerichtet. Sollte das Gelände mal bebaut werden, werde der Waschbär in die nahe Illerau abwandern, glaubt Höppler. Schließlich seien Waschbären anpassungsfähig.
Tatsächlich sind es diese Eigenschaften, die die Zahl der Tiere seit Jahren ansteigen lässt. Waschbären sind Allesfresser, die pflanzliche Kost ebenso genießen wie Eier und kleine Tiere, etwa Schnecken und Würmer. Auch wenn ihr Lebensraum eigentlich der Wald ist, scheuen sie die Nähe zu Menschen nicht, sondern wissen sie zu nutzen. So leben in der Region um Kassel in Nordhessen inzwischen bis zu 150 Tiere pro Quadratkilometer. In Mülltonnen und Gärten finden sie genug zu fressen und richten sich gerne in Gartenhäuschen, Garagen oder auf Dachböden ein.
So weit soll es im Landkreis Neu-Ulm nicht kommen, erklärt Christian Liebsch, Vorsitzender der Kreisjägerschaft. Wie viele Waschbären es im Kreis gebe, sei schwer zu sagen. Gesehen worden seien Tiere aber inzwischen fast überall: "Sie verteilen sich schon über den ganzen Kreis." Possierlich anzusehen seien die Kleinbären mit ihren geschickten Pfoten und dem hübsch gezeichneten Gesicht durchaus. "Aber erwünscht sind sie nicht."
Deshalb würden auch immer wieder Tiere geschossen, im vergangenen Jahr insgesamt vier im Landkreis. Nur so gelinge es, die Population des tierischen Einwanderers niedrig zu halten: "Wir brauchen ein Regulativ." Sonst werde das putzige Tier irgendwann einmal lästig, sagt Liebsch. Tatsächlich gibt es inzwischen Regionen in Deutschland, in denen sich die Bürger über die Tiere ärgern, die über geöffnete Fenster und Katzenklappen in die Häuser eindringen und dort Schaden anrichten, Mülltonnen aus- und Obstbäume abräumen. Liebsch: "Wenn wir abwarten, bis wir Waschbären regelmäßig zu Gesicht bekommen, ist es zu spät."
Bernd Kurus-Nägele vom Bund Naturschutz bestätigt das: Waschbären seien "eingeschleppte Tiere" und hätten hier "nichts zu suchen". Auch wenn es bei der derzeitigen Zahl der Tiere noch keine Probleme gebe, bedeute die Ausbreitung einer neuen Tierart "immer einen Verdrängungswettbewerb im Lebensraum" . Deshalb sei von den Naturschützern "keiner so ganz glücklich" über die neuen Landkreisbewohner. Dass sich die Ausbreitung verhindern lässt, glaubt Kurus-Nägele nicht. Dafür gebe es Beispiele anderer Einwanderer aus dem Tier- und Pflanzenreich. Der amerikanische Flusskrebs habe den einheimischen quasi verdrängt und das indische Springkraut sei aus den Wäldern nicht mehr wegzudenken.
Wichtig ist, darin sind sich Jagdvertreter Liebsch und Naturschützer Kurus-Nägele einig, dass der Waschbär von der Bevölkerung als "wildes Tier" betrachtet und nicht angelockt oder gar angefüttert wird. Das beuge Problemen in Siedlungen am besten vor: "Geben Sie ihm keinen Grund, zu bleiben."